Pädagogische Arbeit ist immer auch geschlechtsspezifische Arbeit. Allein durch die Verhaltens- und Handlungsweisen der MitarbeiterInnen den Kindern gegenüber und untereinander werden geschlechtstypische Rollenzuweisungen gelebt und transportiert.

Um eine bewusste geschlechtsspezifische Arbeit zu etablieren, bedarf es einer Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle, der Stellung innerhalb des Teams und den Verhaltens- und Reaktionsweisen innerhalb der Arbeit. Eine positiv besetzte und bewusste geschlechtsspezifische Arbeit hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Beziehungen zwischen Männern und Frauen innerhalb des Teams von gegenseitiger Achtung und Anerkennung der jeweiligen Personen und ihrer Arbeitsfelder gekennzeichnet sind.

Im Rahmen der direkten Arbeit mit den Kindern kommt es nicht so sehr auf die Angebotsinhalte an, wenn es darum geht, die männliche oder weibliche Rolle in Frage zu stellen. Entscheidend ist die Vermittlung der Erkenntnis, dass die Wertigkeit der eigenen Person nicht über die Abwertung anderer stattfinden kann.

Dies betrifft vor allem die oft entwertenden und verachtenden Einstellungen und Verhaltensweisen von Jungen gegenüber Mädchen und Frauen.

Ursache für diese Verhaltensweisen sind neben den erlebten und erlernten Rollenvorbildern auch die eigenen tief greifenden Unsicherheiten und Erfahrungen von Versagen. Es muss also darum gehen, auch den Jungen Erfahrungsbereiche zu eröffnen, in denen sie einerseits persönliche Erfolge erzielen, in denen sie aber andererseits auch im Scheitern erleben können, dass dies keine Abwertung ihrer Person und Persönlichkeit ist. Solche Erfahrungen sind gut möglich in Bereichen, die dem Bedürfnis der Jungen nach körperlichem Ausagieren entgegenkommen (z.B. Klettern, Kajak,) oder in Bereichen, die ihr Interesse an Technik berücksichtigen (Bau bzw. Reparatur von technischen Geräten)

Jungenarbeit

Seit 1997 gibt es in der EU die Richtlinie des Gender-Mainstreamings. Sie verpflichtet alle Institutionen sich jeglicher Diskriminierung der Geschlechter zu widersetzen. Dies ist selbstverständlich auch Grundlage der pädagogischen Arbeit im Kinderhaus Nied.

In der Pädagogik wird die Jungenarbeit definiert als die Arbeit von Männern mit Jungen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit ist eine Beschäftigung der Pädagogen mit ihrer Rolle als Mann. Dies ist in unserem Team durch Diskussionen und Erfahrungen aus der Schule, dem Studium und durch Fortbildungen zum Thema, gegeben.

Jungenarbeit findet in der Kinderarbeit tagtäglich statt. Dabei wirkt der Pädagoge durch sein eigenes Verhalten. Dies kann ein Kontrast zu den, aus den Medien, oder aus den, von Jugendlichen vermittelten, Rollenklischees sein.

Neben der Vorbildfunktion ist die Auseinandersetzung über Rollen und ihre Veränderbarkeit ein weiterer Aspekt einer geschlechtsbewussten Erziehung.

In der pädagogischen Diskussion wurde die Jungenrolle anfänglich nur negativ definiert. Jungen galten als rücksichtslos, zur Gewalt neigend, weniger teamfähig, unsensibel etc.

Mittlerweile wurde hier eine Korrektur vorgenommen. Körperliche Auseinander -setzungen zwischen Jungen werden nicht mehr von vornherein als falsch angesehen, sondern als eine Form der Konfliktbewältigung. Wichtig dabei sind die Einhaltung von Fairness-Regeln und das Unterbinden von Grenzüberschreitungen.

In den Frankfurter Kinder- und Jugendeinrichtungen gibt es seit vielen Jahren die Mädchen- bzw. Jungentage, an denen sich in besonderer Weise der geschlechtsspezifischen Arbeit gewidmet wird. Im Kinderhaus Nied gehört der wöchentliche Jungen –bzw. Mädchentag seit 1992 zum etablierten pädagogischen Konzept. 2007 wurde erstmals ein spezieller Jungenraum eingerichtet.

Fazit: Die Ausgestaltung der Jungenarbeit ist vom Bewusstsein und dem geschärften Blick der Pädagogen abhängig. Dieses Bewusstsein sollte sich veränderten Bedingungen anpassen und sich weiterentwickeln, wozu Fortbildung unerlässlich ist.

Mädchenarbeit

Mädchenarbeit ist im Kinderhaus Nied ein wichtiger Bestandteil der offenen Kinder-und Jugendarbeit. Es wurden geschlechtsbewusste, pädagogische Konzepte entwickelt und umgesetzt, die in ihren Methoden, Angeboten und Hilfen den Lebenssituationen von Mädchen angepasst sind. Die Stärkung der Identität und des Selbstwertgefühles, ein Entgegenwirken der Benachteiligung von Mädchen, die Durchsetzung ihres Anspruches auf Gleichberechtigung, sind wichtige Ziele der Mädchenarbeit.

Den Mädchen werden Freiräume zur Auseinandersetzung mit tradierten Rollenbildern gegeben auch im Hinblick auf die Ansprüche und Vorstellungen bezüglich ihrer Lebensplanung.

Dies wird ermöglicht durch die Bereitstellung eines geschützten Raumes (Mädchenraum), wobei die Mädchen bei der Raumplanung und -gestaltung einbezogen, und ihre Wünsche und Vorstellungen berücksichtigt werden. Im Mädchenraum und am Mädchentag können die Mädchen frei von männlicher Beurteilung und Dominanz agieren.

An Mädchentagen haben die Mädchen die ungeteilte Aufmerksamkeit der weiblichen pädagogischen Fachkräfte; es wird ein Gruppengefühl gestärkt, das wiederum den Mädchen hilft, selbstbewusster und selbstsicherer ihre Interessen wahrzunehmen und durchzusetzen.

Die Pädagoginnen können den Mädchen unterschiedliche Lebensentwürfe zur Wahl stellen und bieten damit Identifikationsmodelle zur Rollenauseinandersetzung.

Eine große Bedeutung hat hierbei eine Neubewertung von Eigenschaften, Zuschreibungen und Abwertungen, die unter „typisch Mädchen/Frau“ subsumiert werden.

Dies bedeutet, die negative Besetzung aufzuheben und die Mädchen diese Eigenschaften als Stärke erleben zu lassen. Die eigenen Ressourcen sollen erkannt und gestärkt werden.

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